Deutsche in Neuseeland

Wir Deutschen haben ja ein sehr gespaltenes Verhältnis zu uns selbst. In unserem eigenen Land ist das Deutsch-Sein ja immer untrennbar mit der Vergangenheit unseres Landes verbunden. Im Ausland ist es auch immer so eine Sache. Die Bandbreite der Wahrnehmung von uns ist gigantisch.

Der Deutsche an sich ist fleißig, korrekt, höflich und vor allem pünktlich. Dass das die Einwohner fremder Länder von uns denken gilt als allgemein anerkannt. Ganz so deutlich ist das aber nicht immer zu erkennen. Für den Kiwi ist der deutsche Backpacker nämlich vor allem erstmal eins – ein Backpacker. Und als solcher ein Teil des Wirtschaftsmotors des Landes, Geldquelle weil er überteurte Aktivitäten bezahlt und Ärgernis, weil er die Umwelt verschmutzt, wild campt und die Straßen blockiert. Ihr seht, es gibt auch nicht DIE Ansicht von Neuseeländern über die Backpacker, somit ist es natürlich noch schwieriger zu sagen, was die Kiwis über Deutsche denken.

Zumal auch die Kiwis ja gespalten sind, nämlich in ihre weiße Bevölkerung (“Paheka”) und die Maori. Auch wenn im Grunde genommen alle Einwohner des gleichen Landes sind und sich auch selbst als “Kiwis” bezeichnen würden, gibt es doch sehr signifikante Unterschiede. Vielleicht mache ich mir die Unterscheidung hier etwas einfach, aber im Grunde genommen stellen die Maori den großen Teil der bildungsfernen “Arbeiterklasse” dar. Ausnahmen gibt es natürlich immer wieder. Aber der typische Maori, den wir kennengelernt haben, verdient sein Geld eher auf Baustellen, an Fließbändern in Fabriken oder als Reinigungskraft. Ohne dafür belastbare Zahlen zu haben werden die Jobs, in denen wirklich Verantwortung für viele andere Arbeiter übernommen werden muss fast ausnahmslos von Pahekas ausgeübt.

Somit ergeben sich mit den beiden unterschiedlichen Vertretern der Kiwis auch sehr unterschiedliche Gespräche über uns Deutsche. Auch wenn es mir selbst fast wehtut, wie plakativ übertrieben und polemisch das klingt – falls Maoris überhaupt wissen wo Deutschland liegt, kommen eher so Fragen an uns wie “Sind nicht alle Deutschen blond und haben blaue Augen?” oder “Aaaah Germany! Hitler?”. Bis jetzt kam es leider noch zu keiner sonderlich anders gearteten Konversation mit einem Maori.

Bei den Weißen sieht es etwas anders aus. Auch hier gibt es natürlich Leute, die sich eigentlich kein Stück für Deutschland interessieren und die die obigen Fragen genau so stellen würden. Aber wir haben schon sehr häufig die Erfahrung gemacht, dass man sehr interessante Einblicke bekommt, wie Deutschland in der Welt gesehen wird. Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit spielt da natürlich auch immer eine Rolle. Aber in diesem Teil der Welt sieht man zum Beispiel auch, dass in Australien die Eingeborenen einem unterdrückt wurden und auch der Umgang der Weißen mit den Maoris nicht immer vorbildlich war und ist. Dass man die heutige Generation Deutscher nicht für die Fehler der älteren Generation verantwortlich machen kann. Dass es sehr wohl eine Verantwortung gibt dafür zu sorgen, dass so etwas wie in Nazi-Deutschland nicht noch einmal passiert. Aber dass diese Verantwortung nicht von den Deutschen alleine zu tragen ist, sondern von jedem Menschen auf der Welt. Häufig hört man auch Anerkennung und ehrlichen Neid, wie reich, stabil und gesund Deutschland doch ist.

Und damit sind wir auch wieder im Hier und Jetzt. Denn jedes Jahr ab September fallen wahre Horden von Deutschen in Neuseeland ein. Es gibt keine Beschränkung, wie viele Deutsche ein Working Holiday Visum für Neuseeland pro Jahr bekommen. Bei anderen Ländern sieht es da schon nicht so rosig aus. Argentinien zum Beispiel bekommt jedes Jahr 1.000 Working Holiday Visa ausgestellt. Jedes Jahr, wenn man sich zu einem Stichtag dafür online bewerben kann, brechen regelmäßig die Server zusammen. Ähnlich sieht es auch für unseren Nachbarn Österreich aus. Auch hier gibt es pro Jahr nur 1.000 Visa.

Im Gegensatz dazu stehen wir priviligierten Deutschen. Geh in Neuseeland in eine Hostelküche und rufe “Hallo zusammen!” In 49 von 50 Fällen kommt eine deutsche Antwort zurück. In Auckland waren von ca 20 Backpackern in unserem Hostel 5 Koreanische Woofer, die für ihre Unterkunft dort arbeiteten, 2 Schweden, 2 Franzosen und 11 Deutsche. In Whangarei haben wir den ganzen Abend keine nicht-deutschen Backpacker gesehen. Auf fast jedem Campingplatz stellt man sich neben mindestens eine deutsche Gruppe. Sollte von euch jemand eine Sprachreise planen um sein Englisch aufzubessern würde ich Neuseeland nicht als Reiseziel empfehlen. Ich gehe sogar so weit zu sagen, dass man hier ohne ein Wort Englisch zu sprechen eine ganze Weile über die Runden kommen kann.

Und damit das hier am Ende auch noch ein schöner “Rant” (einfach nachgooglen, was ich damit wieder meine) wird, gibt es jetzt auch noch meine ungeschminkte Meinung zu den ganzen Deutschen. Zunächst – mir ist bewusst, dass es eine ganze Menge vernünftiger deutscher Backpacker gibt, von denen wir auch schon einige kennenlernen durften. Aber der aktuell typische deutsche Backpacker, den wir so sehen ist gerade um die 18 Jahre, direkt von der Schule, als man noch bei Mama gewohnt hat, erstmal nach Neuseeland augebrochen und hat noch nie nur ansatzweise so etwas wie einen eigenen Haushalt geführt.

Und das sieht man dann auch. Im Winter habe ich mich noch über Schilder in Hostelküchen amüsiert auf denen stand “Your mum is not here, so please clean up”. Mittlerweile weiß ich, dass die da nicht ohne Grund hängen. Viele benehmen sich hier wie auf der Abifahrt, der Kursfahrt oder der Ferienfreizeit. Party Party Party, aber vom Land nix gesehen. Meine Welt ist das definitiv nicht und auch Nini tut hin und wieder ihre Meinung mit einem “Dafür bin ich nun echt zu alt …” kund.

Was bleibt also am Ende? Wir sind bei weitem nicht die einzigen Deutschen hier. Manchmal ist das ganz nett, häufiger leider nicht so dolle. Es hemmt uns ein wenig Kontakt zu anderen Backpackern zu suchen, weil es dann fast immer Deutsche sind und auch fast immer die gleiche “Lebensgeschichte”. Einige sehr erfreuliche Ausnahmen gibt es natürlich. Um die sind wir auch umso froher. Und in dem Moment in dem ich diesen letzten Absatz schreibe haben wir auch schon eine nette, ein kleines bisschen ältere Deutsche kennengelernt, die als Managerin eine sehr interessante Lebensgeschichte hat und jetzt durch Neuseeland reist. Vielleicht sollten wir die Hemmung einfach wieder vergessen und wieder mehr auf andere Backpacker zu gehen. Auch wenn sie wahrscheinlich deutsch sind.

One thought on “Deutsche in Neuseeland

  1. Ulla

    Mit Freude lese ich eure Berichte und berausche ich
    mich an euren Bildern.
    Das ist schon toll, so vom anderen Ende der Welt
    zu lesen. Besonders nachdenklich macht euer Bericht
    über das Bild der Deutschen dort.

    Hier ist der ganz normale Weihnachtswahnsinn
    im Gange. Läden voll, überall Lichter, überall
    Kaufrauschverführungen. Weihnachtsmärkte
    überlaufen, Busse übervoll. Draußen Nebel, morgens
    frostig, drinnen im Adventskalender Schokolade
    und Glühwein am Abend.

    Wie sieht es bei euch in Sachen X-MAS aus?
    Liebe Grüße
    Ulla

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